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Angeln mit Rollstuhl

Zu meinem sogenannten „normalem Leben“ gehören nun so zwei bis drei Mal die Woche, auch die Wege zu Therapien und Ärzte.

Da wir in einem Stadtteil linksseitig der Elbe wohnen, führt mich dieser Weg immer wieder über diesen schönen Fluss, um zu den besagten Orten zu kommen. Seit der Wende 1990 bin ich von diesem Fluss fasziniert, da es eine, bis heute sehr naturbelassene und ganz tolle Landschaft ist. Seit dieser Zeit habe ich auch sehr viele tolle Fische gefangen. Darunter sind auch die meisten meiner größten Erfolge, wie ein Zander mit einer Länge von 100 cm, ein Wels mit 160 cm und ein Hecht mit 98 cm.

 

Immer wenn ich nun über diesen Fluss fahr, denke ich mit großer Wehmut an diese tollen Erlebnisse. Denn es ist jetzt schon zwölf Jahre her, dass ich auf den Elbwiesen und am Ufer dieses Flusses war.
Genau, auch dies hat mir die Krankheit genommen und mich immer wieder sehr traurig gemacht. Es ist nun mal nicht möglich, mit Rollstuhl in solch unwegsames Gelände zu fahren.

 

Aber ist es das wirklich?

 

Wir nutzen ja nun auch das Internet für viele Dinge im Leben und manchmal sucht man auch nur einfach mal so. Dabei hat meine Frau ein Gefährt entdeckt womit Menschen, die eine Einschränkung des Gehvermögens haben, auch wieder auf längeren Strecken und auf unbefestigten Wegen unterwegs sein können.

Seither sind wir von so einem Sitz Segway / Mobility Cube fasziniert. Damit könnte ich auch endlich wieder auf unbefestigten Wegen unterwegs sein. Könnte meine Frau auf Spaziergängen mit unserem Hund begleiten und dabei würde es keine Rolle spielen, ob die Wege nun befestigt und schön glatt sind oder ob es Wald- und Wiesenwege sind. Alles wäre wieder möglich.

 

Also war es unser Ziel uns so ein Teil zuzulegen. Aber auf der Suche danach mussten wir feststellen, das dies leider weit von unseren finanziellen Möglichkeiten entfernt ist. Da gibt es wieder etwas, was den ein oder anderen Menschen mit Behinderung deutlich mehr Lebensqualität ermöglichen würde, sie sich dies aber auf Grund der Lebensumstände (Rente, geringes finanzielles Budget) einfach nicht leisten können, weil es unfassbar teuer ist.

 

Wir wollten aber so ein Teil unbedingt haben, also blieb uns erst einmal nichts anderes übrig als zu sparen. Und eines Tages hat meine Frau dann auch so ein Gefährt gebraucht, bei Kleinanzeigen entdeckt. Es war zwar immer noch irre teuer, doch durch die lange Zeit des Sparens, konnten wir unseren Wunsch nun doch endlich erfüllen.

 

Anfangs war es gar nicht so einfach mit diesem Teil klar zu kommen, aber nach einigen Übungsstunden ging es schon relativ gut und wir haben bereits einige schöne Spaziergänge / -fahrten machen können.

 

Unterwegs mit meinem „Würfel“ (Sitzsegway) ,bei wieder gemeinsamen Spaziergängen an der Elbe und auf unwegsamen Wegen in der Natur.

Nachdem ich nun einige Erfahrungen mit dem „Würfel“ sammeln konnte und wusste was damit so möglich ist, kam ich auf die Idee das man es auch zum Angeln an der Elbe nutzen könnte. Angeln ist zwar ein Sport, aber das Sportlichste beim Angeln ist der Weg zum Gewässer, jedenfalls für Rollis.

 

Also habe ich mal versucht, damit auf die ein oder andere Buhne zu kommen und dabei oft die Möglichkeiten eines solchen „Würfels“ weit überschätzt.

 

So musste ich feststellen, das es zum Angeln, nicht die optimale Lösung ist.

 

Unvorstellbare Erlebnisse mit dem „Würfel“ an der Elbe

Nach einem schönen Mittagessen in unserem Stammlokal, welches auch an der Elbe ist, hatten wir uns mal bei sehr schönem Wetter überlegt ein Stück spazieren zu gehen.

Da dort auch der Elberadweg lang geht welcher asphaltiert ist, kann man dort auch mit einem ganz normalen Rollstuhl sehr gut unterwegs sein und die Natur genießen. Dabei sind wir an einen alten Fähranleger gekommen, von dem ich eigentlich schon sehr lange wusste, ihn aber absolut nicht mehr auf dem Schirm hatte und es mir nie bewusst war, welche Möglichkeiten dieser bieten könnte.
Das hat sich erst an diesem Tag gezeigt.

 

Fähranleger sind, wenn auch mit altem und sehr groben Pflaster, befestigt und das bis ins Wasser. Zudem sind die Böschungen nicht allzu steil und durchgeknallt wie ich bin, hatte ich an diesem Tag die Idee diesen Weg mithilfe meiner Frau bis ans Wasser zu fahren. Okay, es war etwas horkelig, nicht ganz angenehm und für meinen Schatz ziemlich anstrengend (besonders der Weg nach oben), aber ich stand nun auch mal mit Rollstuhl am Ufer meines Lieblingsflusses.

 

Blick auf den alten Fähranleger

 Da ich nun, mit dem Rollstuhl, direkt am Wasser stand, was ich lange für unmöglich hielt, konnte ich mir in so etwa auch schon ausmalen wie ich wieder in diesem Fluss angeln könnte.

 

Vor allem war es möglich endlich mal mit der Fliegenrute in der Elbe zu angeln. Denn das ist eine von den wenigen Dingen, welche ich vom Gefühl her in meinem Leben verpasst hatte.

 

Endlich bestand die Möglichkeit und ich habe sie genutzt, wenn auch ohne Fang, aber das war egal. Der größte Erfolg war, dass ich der doofen Krankheit mal wieder die Stirn geboten habe und das gemacht habe, was ich gut finde.

Mein erstes Angeln am Fähranleger und mit Fliegenrute

Es ist natürlich nicht das angeln, was man auf zwei Beinen macht und auch der leichte Aktivrollstuhl ist dafür nicht so besonders geeignet, aber es ist möglich auch mit so etwas an der Elbe zu angeln.

 

Während der ersten zweimal Angeln am Fähranleger, habe ich mir viele Gedanken gemacht, wie man das ganze noch optimieren kann.
Vor allem musste ich an dem Rollstuhl einiges ändern. Besonders die dünnen Reifen waren sehr anstrengend, da sie ständig in den Spalten des Pflasters stecken blieben. Und da wo nur Wiese war, hat es sich auch so gut wie nicht fahren lassen. Hinzu kam, dass ich meinen Faltrollstuhl im Gelände für etwas zu unstabil hielt und mir mein grüner Laubfrosch auch viel zu schade für diese Beanspruchung ist.

Es musste also ein anderer Rollstuhl her. Doch das war alles andere als einfach!

 

Denn so wie ich ihn mir vorstellte, möglichst breite Reifen vorne und hinten, Starrrahmen und nicht so irre schwer, so gab es ihn nicht.

 

Na ja, und um seine Macken zu leben, musste man auch wieder selbst investieren, denn dabei bekommt man von keiner Kasse eine Unterstützung. Aber okay, es ist ja auch mein Hobby und dass es für uns Menschen mit Behinderung immer etwas schwieriger und oft auch teurer ist, daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Dennoch ist es mir immer wichtig meine Ziele zu erreichen, auch wenn es etwas länger dauert.
Ein anderer Rollstuhl hat aber nicht so lange gedauert und wir haben relativ schnell ein echtes Ungetüm gebraucht im Internet gefunden. Es war ein Pflegerollstuhl mit vielen Dingen, die ich nicht gebrauchen konnte und er hatte immer noch schmale Reifen hinten. Aber ich bin da ja immer ziemlich kreativ und kann solche Dinge gut meinen Bedürfnissen anpassen.

 

Ein echtes Ungetüm -der Pflegerollstuhl, vor dem Umbau.

Das Grundgerüst war zumindest schon mal ein Starrrahmen, worauf man sehr gut aufbauen konnte.

Als Erstes habe ich mal alles abgebaut, was da irgendwie nervig war - Armstützen, Kopfstütze, Schutzbleche, Fußbretter und alles was noch so gestört hat.

Die Fußbretter wurden gegen eine durchgehende Stange getauscht, denn irgendwo muss man ja die Füße abstellen. So wurde das ursprüngliche irre Gesamtgewicht deutlich reduziert.

 

Vorne hatte er ja schon breite Räder nur hinten noch nicht und wer denkt das man einfach auf die 24Zoll Felgen einen breiten Fahrradmantel aufziehen kann, der irrt.

Denn auch wenn die Rollstuhlräder auf einer 24 Zoll Felge sind, so ist es dennoch nicht dasselbe wie eine 24 Zoll Fahrradfelge.
Rollstuhlräder haben die genaue Größe 24 x 1  3/8 und so sind die 24 Zoll (540) Räder die meistbenutzten Räder an Rollstühlen, was die Reifenauswahl deutlich einschränkt.
In der kleineren 24 Zoll Fahrrad Version der ERTRO 507 findet man hingegen eine große Auswahl an Reifen, die auch deutlich breiter sein können als eben die für die 540 Räder. Das bedeutete, dass die breiten Reifen, die ich mir ausgesucht hatte, nicht auf die Rollstuhlfelge passten und ich eine dementsprechende 507 Felge brauchte.

Diese gibt es aber nicht mit der passenden Radnabe und der Steckachse, die zu der Achshalterung passt. Zumal dieser Rollstuhl eine Trommelbremse hat und dies irgendwie alles zusammen passen muss. Also brauchte ich eine 507er-Felge mit der vorhandenen Radnabe.
Klingt alles etwas kompliziert, was es auch war. Denn ich brauchte jemanden, der mir die vorhandene Radnabe in eine 507-Felge einspeicht. Und das war gar nicht so einfach, denn nicht jeder war bereit sich dieser handwerklichen Aufgabe zu stellen. Fündig wurde ich dann doch bei unserem Fahrradladen des Vertrauens, bei dem wir schon lange Kunden sind. Welcher dann auch fantastische Arbeit gemacht hat, zumal es da noch eine weitere Schwierigkeit gab. Denn die vorhandenen Greifreifen passten nun auch nicht an die etwas kleineren Felgen. Und so war es auch noch notwendig, die dementsprechenden Greifreifen zu bekommen. Auch darum hat sich der Fahrradmechaniker direkt gekümmert und Greifreifen bei einem Metallbauer anfertigen lassen. Das hat den ganzen „Spaß“ nochmal deutlich teurer werden lassen. Aber jetzt ist dieser Rollstuhl, zumindest für mich und für das wofür ich ihn nutzen möchte, perfekt. Er hat einen Starrrahmen, breite Reifen, die Sitzfläche so wie die Rückenlehne lassen sich unabhängig voneinander verstellen und den jeweiligen Gegebenheiten anpassen. So dass man auch an den erreichbaren Buhnenköpfen immer eine gute Sitzposition hat. Auch für die Rutenablage habe ich mir etwas einfallen lassen und um noch etwas mehr Komfort zu haben, gibt es auch noch einen kleinen Tisch, den ich an dem Rollstuhl befestigen kann. Nur das Gewicht ist nicht ganz so optimal, was aber aufgrund der Stabilität auch gar nicht möglich ist. Leider konnte ich ihn im vergangenen Jahr noch nicht nutzen, was dem Radumbau geschuldet war.

 

Aber das neue Jahr hat ja erst angefangen und sobald das Wetter wieder schöner wird, werde ich die Möglichkeit, wieder in der Elbe Angeln zu können, nutzen. Da dies aber nicht ohne Unterstützung möglich ist, weil ich doch immer mal wieder Hilfe benötige, sei es um die kleine Ausrüstung ans Wasser zu bekommen, mich mit dem Rollstuhl zu schieben oder hoffentlich mal einen guten Fisch zu landen, werde ich nun auch an der Elbe, die schönen Stunden immer mit meiner Frau verbringen.

 

Das dies auch wieder einmal möglich sein würde, konnte ich mir nicht wirklich vorstellen. Aber mit viel Willen und einem Partner (oder gutem Freund) ist auch so etwas mit Rollstuhl möglich und ich freue mich auf die kommende Saison. Was mir wieder irre viel Kraft gibt, auch weiterhin nicht zuzulassen, dass die Krankheit über mein Leben bestimmt und ich ihr immer wieder den Stinkefinger zeigen kann. Auch wenn das nicht immer einfach ist.

 

 Mein erstes Stippangeln vom Buhnenkopf bei dem ich vierzehn, wenn auch nur kleine Fische, gefangen habe.
Es hat echt Spaß gemacht, zumal ich das lange Zeit für unmöglich hielt und ich es nun gemeinsam mit meinem Schatz machen kann.
Auch der erste Einsatz meines noch nicht fertig umgebauten Rollstuhls fühlte sich sehr gut an, genau wie die super leichte 7 m Stipprute, die ich mir erst zugelegt hatte.

 

Blick auf die Wittenberger Elbbrücke
Blick auf die Wittenberger Elbbrücke

Spinnfischen Anfang Oktober mit meinem leichten Aktivrolli. Welcher       nicht ganz so optimal ist.

Das erste Angeln nach 12 Jahren an der Elbe und dann auch noch mit Rollstuhl war nicht nur wunderschön, sondern wurde auch noch mit diesem tollen Sonnenuntergang belohnt!

Sonnenuntergang an der Elbe
Sonnenuntergang an der Elbe

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